„Augenblicke aus Skagen“ – Fotografien der Skagen-Maler
Wer schon einmal ganz oben in Nordjütland war, wird zumindest erahnen können, warum sich gerade dort eine Künstlerkolonie angesiedelt hatte. Das Licht hat nahezu immer etwas magisches und dies findet sich auch in den Werken von Skagen Malern wie Holger Drachmann, P. S. Krøyer, Viggo Johansen, Laurits Tuxen sowie Michael und Anna Ancher. Während das „Skagens Museum“ mit deren Werken also immer einen Besuch wert ist und die Bilder selbst von meiner 9jährigen Tochter geschätzt werden, gibt es in diesem Jahr noch bis Mitte September gerade für Fotograf:innen einen weiteren Grund das kleine, aber sehr feine Museum zu besuchen: „Øjeblikke fra Skagen — Moments from Skagen“. Zum ersten Mal überhaupt stellt das Museum Fotografien aus seiner Sammlung aus, das zum einen die Skagen Maler selbst zeigt, zum anderen aber auch Situationen aus dem täglichen Leben Skagens, die ihren Weg in die Bilder der Maler gefunden haben. Während ich schon immer ein großer Fan von Künstler-Portraits war — sowohl innerhalb als auch außerhalb des Ateliers —, war es besonders spannend zu sehen, wie aus welchen Fotos Ideen oder gar konkrete Motive in Gemälde eingefügt wurden.

Portrait von Anne und Michael Ancher, unbekannter Fotograf, 1894
Leider hat es die Sonderausstellung nicht auf die deutsch übersetzte Seite des Museums geschafft, aber auf der englischen Ankündigungsseite finden sich mehr Infos und ein gut 30minütiges Video über die Ausstellung und die Hintergründe. Bei YouTube lassen sich dazu Untertitel einblenden.
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Wie immer in Skandinavien begeistert auch hier der museumspädagogische Ansatz. Kinder werden aktiv eingeladen, sich selbst künstlerisch zu betätigen. In einem eigenen kleinen Atelier wird ihnen mitgeteilt, dass auch Fotografien schon seit Anbeginn gerne retuschiert und auch bearbeitet wurden und sie nun auch mit den Fotografien aus der Ausstellung (die hier als Kopien vorliegen) kreativ werden können. Die fertigen Werke kann man an die Wände pinnen oder auch mit nach Hause nehmen.
Im Shop kann man sich unter anderem den Ausstellungskatalog und „Negative“ sowie Cyanotypie-Sets für die eigenen Versuche kaufen. Der Katalog hat mit Absicht nur eine lose, mit einem Gummiband zusammengehaltene Bindung, damit man sich einzelne Seiten herausnehmen und rahmen kann.
Allgemein lohnt immer wieder ein Blick auf die fotografische Frühgeschichte und ich verweise da insbesondere immer wieder gerne auf das Buch „Victorian Giants“ (Amazon-Partnerlink). Es ist das Buch zur Ausstellung der National Portrait Gallery in London, die 2018 die Pioniere der künstlerischen Fotografie in Großbritannien würdigte: Oscar Rejlander (1813–75), Julia Margaret Cameron (1815–79), Clementina Hawarden (1822–65) und Lewis Carroll (1832–98). Ja, der „Alice im Wunderland“-Carrroll. Und „seine“ Alice findet sich in vielen Abbildungen dieses Buches auch wieder.
Es war selbst für heutige Verhältnisse eine ungewöhnliche Bande, die sowohl Rivalen als auch Freunde waren. Ein schwedischer Einwanderer mit nebulöser Vergangenheit, eine in Kalkutta geborene Britin schon mittleren Alters, eine schottische Adelige und ein Akademiker aus Oxford. Und auch wenn sich das wie ein elaborierter Aufbau für eine Witzvorlage anhört, handelt es sich bei diesen vier Fotografen um die besten und kreativsten des damaligen Königreiches. Wir reden von den 1860er Jahren — die Fotografie an sich war gerade mal 25 Jahre alt und wie herausfordernd Nassplatten sind, haben wir in Folge 9 unseres Podcasts und ich in diesem Blogartikel schon einmal dargestellt. Um so erstaunter bin ich über die Kleinkind-Fotos von Rejlander – wie er es geschafft hat, dass sie entsprechend lang genug stillgehalten haben. Oder wie er aus unzähligen Einzelaufnahmen das Bild „Two Ways of Life“ 1857 geschaffen hat, was deutlich Thomas Coutures Gemälde „Romans During the Decadence“ von zehn Jahren zuvor aufgriff. Alle stritten sich leidenschaftlich dafür, dass Fotografie als eine Kunstform zu gelten hatte und vielleicht wollte gerade Rejlander es durch seine oftmals eher klassischen, an Gemälde orientierten Ansätze deutlich machen. Auch Julia Cameron mochte die klassischen Vorbilder wie Rembrand oder Guido Reni, einem Maler des 17. Jahrhunderts. Deutlich freier von malerischen Inspirationen arbeiteten Hawarden und Carroll.
Das fantastische an diesem Band ist nicht nur, dass man zahlreiche Meisterwerke dieser Fotografen in sehr guter Reproduktion sieht und es durch hochinteressante Texte begleitet wird, es werden teilweise auch die Originalnegative gezeigt (die meisten Bilder, die man aus der Zeit sonst zu sehen bekommt, sind Albuminabzüge), bei denen mal als kämpfender moderner Nassplattenfotograf sieht, dass auch die großen Helden der Originalära mit Problemen und Artefakten zu kämpfen hatten. Darüber hinaus ist spannend zu sehen, dass die Fotografen teilweise die gleiche Person vor der Linse hatten und man ihre individuellen Ansätze dabei miteinander vergleichen kann.
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