Bevor ich mit der Vorstellung und der Review anfange, drei wichtige Dinge zum Start:
- Ja, ich bin auch mit drei Rezepten und vielen eigenen Bildern vertreten. Da ich als Gast aber nichts außer Ruhm und Ehre (und einem Freiexemplar) bekomme, kann ich trotzdem recht unvoreingenommen meine richtige Meinung kundtun.
- Für die tl;dr-Fraktion: Ja, auch in Zeiten von Apps und kostenlosen Blog-Angeboten lohnt sich das Buch. Meine leichte Kritik bezieht sich vor allem auf Sachen, die der Verlag unglücklich gelöst hat, die aber für die Leser:innen nicht extrem entscheidend sind. Für eine ausführliche Darstellung einfach weiterlesen.
- Es gibt von mir noch ein Bonus-Rezept, was nicht im Buch zu finden ist. Dabei handelt es sich um ein seltenes Sepia-Rezept, woran sich bisher erstaunlich wenig Leute versucht haben. Ich habe es hier in einem eigenen Blogbeitrag gepostet.
Das Buch erscheint am 13.04. und kann z.B. hier bei Amazon bestellt werden.
Lange war Thomas B. Jones Buch „22 JPEG-Rezepte für Fujifilm X-Kameras“ schon vergriffen, nun gibt es mit den „33 JPEG-Rezepte für Fujifilm X-Kameras“ (Amazon Partnerlink) endlich ein erweitertes Update. Und Thomas hat sich dafür einen genialen Kniff einfallen lassen: Er hat drei Kollegen gefragt, ob sie ein paar ihrer Rezepte in dem Buch vorstellen und jeweils zwei seiner Rezepte ausprobieren wollen würden. Dazu würde er sich auch an den Rezepten seiner Kollegen versuchen.
Das zeigt schon mal die besonderen Stärken dieses Buches — gerade auch im Vergleich zu solchen Angeboten wie Fuji X Weekly: Man bekommt eine riesige Bandbreite an Beispielbildern geliefert. So sehr es ein Rezeptebuch ist, so sehr ist es auch ein kleiner Bildband, der zudem eine größere Bandbreite und eine leichtere Übersicht als die Web-Angebote bietet. Das Problem an den Internet-Rezepten ist, dass es inzwischen hunderte von Rezepten gibt, die sich teilweise nur um Nuancen voneinander unterscheiden aber hochtrabend unterschiedliche Namen haben. Man muss jedes einzelne Rezept anklicken, um dann vielleicht ein, zwei Beispielbilder (manchmal auch ein paar mehr) zu finden. Nur reichen gerade bei Farb-Rezepten wenige Bilder überhaupt nicht aus. Dafür sind diese Rezepte viel zu abhängig von den jeweiligen Lichtverhältnissen und den Farben, die im Bild eigentlich vorhanden sind. Es gibt Rezepte, die im urbanen Raum wunderbar sind, im Wald aber unterirdisch wirken. In einem Buch kann ich viel besser durchblättern und mit ganz wenig Aufwand mir eine schnelle und trotzdem große Übersicht holen. Dieser Effekt wird dadurch noch mal vergrößert, dass Thomas die erwähnten Kollegen eingeladen hat, was die Bandbreite mit ihren unterschiedlichen Fotostilen noch mal deutlich vergrößert.
Eine andere Besonderheit im Gegensatz zu den Webangeboten ist, dass die Rezepte nur etwas mehr als die Hälfte (knapp 170 zu 120 Seiten) des Buches ausmachen. Der Rest ist eine solide Anleitung dafür, erstmal die Stärken und Schwächen der jpeg-Welt zu verstehen und wie man sooc (straight out of camera) eigentlich überhaupt fotografiert. Und es widmet sich dem am häufigsten (auch von Fujifilm selbst) missachteten und doch wichtigsten Tool am Rechner: Dem X RAW Studio.
Da es selbst unter Fujianern recht unbekannt ist, hier eine kleine Zusammenfassung, was X RAW Studio eigentlich ist. Viele Kamera-Hersteller haben ihre eigenen RAW Umwandler und als solcher wird er von vielen oft verkannt. Dabei geht es bei X RAW Studio eigentlich um etwas anderes. Ja, die RAWs sind hier auch die Grundlage, aber es geht gar nicht um eine „richtige“ RAW-Entwicklung, sondern darum, die ganzen möglichen JPEG-Rezepte auf bestehende Fuji-RAWs anzuwenden, einzelne Parameter der Rezepte (auch nachträglich) zu ändern und/oder spielend leicht eigene Rezepte zu entwickeln. Darüber hinaus dient es auch als Speicherort für die Rezepte (sei es die eigenen oder die, die man aus dem Netz oder Büchern hat), wobei sich bei den neuen Kameramodellen diese Rezepte dann direkt aus dem Programm auf die Kamera übertragen lassen. Man muss also nicht alle Einstellungen umständlich über das Kamera-Menu erledigen.
Man kann mit dem Programm also die Bilder, die einem doch zu dunkel oder hell geraten sind, auf RAW-Ebene verbessern (also +/- Korrekturen anwenden), vielleicht bei dem einen oder anderen Schuss doch noch die Tiefen anheben oder Höhen senken und man bleibt trotzdem im Look der anderen Bilder der Serie, da das Ergebnis wieder durch die JPEG-Engine der Kamera geschickt wird. Genau so kann man eine Serie auch noch mal mit einem völlig anderen JPEG-Rezept entwickeln — beispielsweise Schwarzweiß statt Farbe.
Die Stärke für den konsistenten Look ist allerdings auch der Pferdefuß des Systems. Dadurch, dass die JPEG-Engine der Kamera genutzt wird, muss auch das Kameramodell am Rechner hängen, mit dem die RAWs aufgenommen wurden. Wer also intensiv mit JPEG und parallel dazu RAW bei der Fujifilm X- und GFX-Serie arbeitet, sollte sich stark überlegen, ob er oder sie die alten Kameras wirklich verkaufen will, da man sie eventuell noch für X RAW Studio braucht.
Noch immer wird die JPEG Fotografie belächelt, dabei bietet die Verlagerung der RAW-Konvertierung vom Rechner direkt in die Kamera auch für Profis viele Vorteile. Um gleichwertige Ergebnisse zu erzielen, braucht es aber passende Kameras wie die Fujifilm X- und GFX-Serie und ihre JPEG-Rezepte. Zu diesen hat der Fotograf, Podcaster und Buchautor Thomas B. Jones ein Update seines Buches herausgebracht. Was die Möglichkeiten der Fujifilm JPEGs sind, wann sie sich für wen eignen und wie das mit den Rezepten und seinem Buch konkret aussieht — darüber sprechen wir in dieser Folge.
SHOWNOTES:
Das neue Buch “33 JPEG Rezepte für Fujifilm X-Kameras“ (und natürlich auch GFX) gibt es ab kommender Woche (und jetzt schon vorbestellbar) druckfrisch z.B. hier: https://amzn.to/3TUVdAs
Thomas B. Jones: https://www.thomasjones.de
FLD-Filter für das 50s Diner-Rezept: https://amzn.to/3Ud3qjO
Thomas Havanna Rezept: https://www.youtube.com/watch?v=Jv8mUD6WHac&t=3819s
Mehr über JPEG, HEIC und HEIF mit Thomas: https://www.youtube.com/watch?v=CLt-n2YhpIg
Meine Review zu Thomas neuem Buch und ein paar erste Einblicke gibt es hier: https://www.schlicksbier.com/33-jpeg-rezepte-fuer-fujifilm-x-kameras-buchreview/
Ich habe in meinem Blog auch ein kostenloses Bonusrezept: https://www.schlicksbier.com/northern-vintage-ein-fujifilm-jpeg-rezept
Folge 40 mit Peter Müller über die JPEG-Fotografie unabhängig vom Kamerahersteller: https://studio.kreativkommune.org/040-die-out-of-cam-jpeg-fotografie
Meine anderen Podcasts und mich bei anderen Podcasts zu Gast findest Du auf https://www.schlicksbier.com/podcast
Shownotes und Diskussionsmöglichkeiten auch immer auf https://studio.kreativkommune.org/podcast
In meiner aktuellen Podcastfolge mit Thomas B. Jones und auch in Folge 40 mit Peter Müller bin ich schon auf den Snobismus gegenüber dem JPEG-Format eingegangen. Wenn man glaubt, dass nur das Leica- vs. Nicht-Leica-Lager geifern kann, dann sollte man mal in einer GFX-Facebook-Gruppe erwähnen, dass man mit der Kamera vor allem JPEGs fotografiert. Und wenn man dann noch eine Schippe mehr Koks in den Ofen schaufeln will, dann erwähnt man noch sein Faible für Altglas … Da ich aber davon ausgehe, dass die Leute, die sich diese Review durchlesen, von diesem Snobismus schon geheilt sind oder nie von befallen waren, gehe ich hier nicht weiter darauf ein.
Aber auch in den restlichen theoretischen Passagen werden selbst erfahrenere JPEG-Fotograf:innen vielleicht noch neue Dinge erfahren. Auf jeden Fall nimmt Thomas das ganze Fujiflm-JPEG-System sauber auseinander, so dass jede:r verstehen kann, was welche Parameter wie beeinflussen — was einen guten Start für eigene Rezepte oder auch die Abwandlung bestehender Rezepte bietet.
Denn eins sollte man bei den JPEG-Rezepten nie vergessen: Der Name kommt nicht von ungefähr. Genauso wie bei Kochrezepten kann man jeden einzelnen Parameter auf die eigenen Bedürfnisse und den eigenen Geschmack anpassen. Kein Rezept ist 1:1 so in Stein gemeißelt. Vielmehr bietet es eine solide Grundlage, die die Ergebnisse ermöglicht, die im Buch zu sehen sind — nicht mehr und nicht weniger. So hat z.B. Thomas neues Rezept „Barber“ auch auf meiner Kamera Einzug gehalten — allerdings ohne die von ihm vorgesehene Körnung, da ich selbst kein Korn in Bildern mag.
Kommen wir zum eigentlichen Herzstück des Buches — und auch einem der größten Böcke, den der Verlag geschossen hat: Die JPEG-Rezepte selbst. Der Verlag leitet das Kapitel nämlich mit dem Hinweis ein: „Sie finden hier die bestehenden JPEG-Rezepte, die in der ersten Auflage des Buchs bereits enthalten waren.“ — nur leider stimmt das so nicht ganz. Ja, einige bewährte Klassiker der ersten Auflage sind erhalten geblieben (schließlich hat nicht jeder Käufer auch die erste Auflage des Buches erworben), aber auch von Thomas sind neue Rezepte mit drin und nicht nur von den drei Gästen. Tatsächlich sind konkret 21 Rezepte aus der ersten Auflage dabei; teilweise mit leichten Anpassungen und teilweise nun auch mit neuem Bildmaterial — u.a. durch die Gäste beigesteuert. Dann finden sich 5 neue Rezepte von Thomas, jeweils zwei neue von Immanuel Sander (Captn Look) und Jochen Müller, sowie drei Rezepte von mir, wobei das die Rezepte zu Bildern sind wie diesen hier:
Unterm Strich gibt es eine sehr große Bandbreite an verschiedenen Stilen, die für wirklich alle möglichen Situationen geeignet sind — und auch für möglichst viele verschiedene Kamera-Modelle. Zwei meiner Rezepte sind z.B. direkt für die erste GFX-Generation entwickelt worden, funktionieren so aber auch auf den neueren GFX-Kameras und auch auf den X-Geräten (bzw. in einem Fall habe ich eine entsprechende X-Anpassung mitgeliefert).
Zwei Dinge haben mich an dem Buch aber wirklich geärgert — eine Sache aus Urhebersicht, was dem geneigten Leser also völlig egal sein dürfte, und eine auch aus Leser:innen-Sicht.
Bilder von unterschiedlichen Urhebern sind im Buch wild durcheinandergewürfelt worden, ohne dass bei den Bildern selbst beisteht, wer welches Bild gemacht hat. Nicht nur, dass man in so einem Buch erstmal davon ausgehen würde, dass außer in den eigenen Rezepten der Gäste alle Bilder von Thomas sind, so wird z.B. auch bei der Abfolge Rezept und Gast-Eindruck alles wild gemixt. Auf dieser Doppelseite nach Thomas Reaktion zu meinem Rezept ist z.B. mein Bild links und das von Thomas rechts. Aber wer weiß das schon?
Zwar ist jeder Urheber am Ende in einem Kasten aufgeführt, aber bei so einer Gestaltung, bei der auch Gastbilder als illustrative Platzfüller mitten in Thomas Text dienen, wirkt das für mich nach fehlender Wertschätzung von Urhebern seitens des Verlages.
Bei diesen illustrativen Bildern in den ganzen Bereichen außerhalb der Rezepte wird es aber auch für die Leser:innen richtig ärgerlich und es zeigt sich, dass der Verlag dort überhaupt nicht nachgedacht hat. Bei jedem Bild stehen all diese beliebten, aber völlig überflüssigen Details wie Blende, Belichtungszeit und Brennweite bei — aber welches JPEG-Rezept für das jeweilige Bild verwendet wurde, haben sie sich gespart. Im Rezepte-Teil ist das locker zu verschmerzen, in den anderen Bereichen werden die Bilder so zu einer reinen Dekoration ohne jeglichen Mehrwert für die Leser:innen degradiert, da niemand nachvollziehen kann, mit welchem Rezept dieser Look erzielt wurde.
Für meine „Dekobilder“ gilt: Auf Seite 24 wurde Everyday 400 und auf Seite 66 Cathedral of the Birch verwendet.
An einer anderen Stelle fragt man sich, ob der Verlag vielleicht einfach eine Doppelseite vergessen hat. Alle Rezepte sind mit vielen Bildern illustriert, Rezept 8 mit einem einzigen Bild. Das hätte man sich dann auch ganz klemmen können und wirkt nun so, als ob man einfach die Rezepte-Zahl pushen wollte.
Alles in allem können alle JPEG-interessierten Fujifilm-Fotograf:innen mit diesem Buch aber trotzdem nichts falsch machen — ganz besonders die nicht, die die erste Auflage nicht besitzen. Im Gegenteil: Man bekommt viele abwechslungsreiche Rezepte geliefert, die viel mehr sind als nur irgendwelche nachgeahmten Analog-Looks. Für die Besitzer:innen der ersten Auflage fällt mir ein definitives Urteil etwas schwerer. Ich finde die 10 neuen Rezepte extrem gut gelungen und durch die Gastautoren kommt auch noch eine deutlich größere visuelle Bandbreite rein. Ob einem so ein Update dann 34.90 € wert sind, muss jede:r selbst wissen; ich für mich persönlich würde allerdings sagen: Ja!
Das Buch gibt es hier:
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Lieber Herr Schlicksbier, herzlichen Dank für diese ausführliche Rezension. Grund genug für mich, das Buch in gebundener Form zu bestellen.
Beste Grüße
J. Pagel