Eine Lanze für das JPEG brechen
Eines der Paradebeispiele für die Hybris von Fotograf:innen ist die Herabwürdigung der JPEG-Fotografie und entsprechend auch derer, die diese Art der Fotografie betreiben. „Profis fotografieren nur in RAW“ scheint eine der Mantren zu sein, die sich besonders nach dem Besuch einer Fotoschule eingebrannt zu haben scheinen. Dabei ist die Aussage natürlich auf verschiedenen Ebenen völliger Quatsch. Gerade viele Sportfotograf:innen fotografieren in JPEG, da sich mehr und schnellere Abfolgen von Serienbilder damit schießen lassen und die Redaktionen die Bilder am liebsten schon vor dem Ereignis auf dem Tisch gehabt hätten. Dann erst noch mal RAW Dateien entwickeln? Kann man machen, aber dann gibt es sicher schon zig Kolleg:innen anderer Agenturen, die ihre Bilder bereits in die ganze Welt geschickt haben.

Smilla, Lübeck 2024; Dark Punch
Dabei brauchen wir über eine Sache gar nicht zu diskutieren: Natürlich ist technisch gesehen ein RAW-Bild einem JPEG-Bild haushoch überlegen. Mit einer RAW-Datei hat man fast schon ein pseudo HDR-Bild vorliegen, das man durchaus bis zu zwei und mehr Blenden (auch partiell) über- oder unterbelichten kann. Dazu lässt sich der Weißabgleich im Nachhinein verlustfrei nach Belieben verändern. Man behält also mehr Bildinformationen und Bearbeitungsmöglichkeiten als im Vergleich zu einem JPEG-Bild. Auf der anderen Seite muss man eine RAW-Datei eben auch bearbeiten, da es ein unfertiges Bild ist. Erst durch einen RAW-Konverter lege ich fest, wie das Bild in den Tiefen, Höhen, Kontrasten etc. ausgestaltet werden soll.
Manche Vorbehalte gegen JPEG-Bilder kann man durchaus verstehen. Das, was aus vielen Kameras früher oder auch heute noch heraus purzelt (dabei darf sich insbesondere Sony angesprochen fühlen), war und ist wirklich nicht sonderlich ansehnlich. Das hat sich mit einigen Kameras allerdings dramatisch geändert — wie mit der X- und GFX-Serie von Fujifilm, der Z-Serie von Nikon oder der Lumix-Serie von Panasonic. Nun kann man eine ordentliche RAW-Konvertierung einen Step früher ansetzten und diese statt im Rechner schon gleich in der Kamera machen. Heraus kommt ein fertiges Bild, das in manchen Fällen noch etwas Beschnitt und leichten Dodge & Burn vertragen kann, ansonsten aber keiner weiteren Arbeit bedarf — sofern man ordentlich fotografiert hat.

Lisa-Marie, Kiel 2022; Cathedral of the Birch
Mit einem gewissen Augenzwinkern könnte man nämlich vielmehr die These aufstellen, dass gerade nur Profis JPEG fotografieren können, da dieses fix it in post Laissez-faire einiger RAW-Fotograf:innen damit nicht mehr funktioniert. Das Bild muss schon bei der Aufnahme mit den richtigen Einstellungen aufgenommen und gestaltet sein. Es muss gegebenenfalls an Filter gedacht und ein größeres Augenmerk auf Licht und Aufhellung gesetzt werden. Ein einfaches Drauflosschießen, da man weiß, dass man die Regler nachher schon weit genug verreißen kann, funktioniert nicht.
Aber im Ernst: Am Ende ist es immer eine Frage, was man warum und wozu fotografiert. Farbverbindliche Katalog-/Werbeaufnahmen? Natürlich machen die ausschließlich in RAW Sinn. Events jeglicher Art, wo möglichst schnell möglichst viele Bilder vorliegen müssen? Da hat eindeutig das JPEG die Nase vorn. Aber auch in anderen Bereichen, wo man mit einer hohen Anzahl von Bildern umgehen muss, kann Zeit schnell Geld bedeuten. Es würde Hochzeits-Fotograf:innen und auch anderen Event-Fotograf:innen (wie von LARPs) eine Menge Zeit ersparen, wenn die Reportage-Bilder schon fertig aus der Kamera kommen würden, anstatt dass man hunderte oder gar tausende Bilder noch durch Lightroom oder Capture One jagen muss.

Jana, Lübeck 2024; Northern Vintage
Auch im privaten Umfeld kann es viel Zeit und Nerven sparen. Wie oft wird man von Familie oder Freuden doch angesprochen, dass man bei diesem Treffen oder jener Party doch einfach Fotos machen könne – man sei doch Fotograf:in. Der Nerv-Faktor ist da geringer, wenn am Ende die Bilder schon gut aussehen, ohne dass man jedes noch mal später am Schreibtisch anfassen muss.
Besonders spannend ist diese Art der Fotografie also auch für Menschen, die wenig Spaß am nicht enden wollenden Bearbeiten am Rechner haben, so wie ich. Ich verbringe lieber meine Zeit mit dem Fotografieren, als mit dem endlosen Schrauben bereits angefertigter Bilder. Das hatte bei mir fast zu einer Art digitalem Burn Out geführt, da meine Bilder aus der damaligen Nikon D800 immer zwingend nachbearbeitet werden mussten. Ich trat darauf hin meine Flucht in die analogen Fotografie an, bei der ich mich im Vorfeld schon für einen Look durch die Wahl des Filmes entscheiden musste und das Bild am Ende — bis auf Dodge & Burn sowie eventuellem Beschnitt — fertig war. Allerdings sagten mir einige Limitierungen, der langwierige Prozess der Entwicklung und des Scans neben dem notwendigen Entflecken der Negative nicht wirklich zu (siehe dazu auch meinen Artikel über den Ausstieg aus der analogen Fotografie).

Mara, Taarstedt 2023; Westensee Herbst
Durch die Fujifilm-Kameras habe ich nun das Beste aus den beiden Welten. Ich kann die Zeit in der Nachbearbeitung minimieren und mich im Vorfeld eines Shootings für den Look entscheiden, in dem ich statt eines Filmes einzulegen mich für die entsprechende JPEG-Simulation entscheide. Gleichzeitig mache ich aber das, was ich allen JPEG-Fotograf:innen dringend empfehlen würde: Parallel zum JPEG-Bild speichere ich auch die RAW-Datei ab. So habe ich eine kleine Rückversicherung, falls ich doch bei einem Bild stärker eingreifen muss und ich kann vor allem hinterher auch noch den Look wieder ändern und aus einem schwarz-weiß Bild beispielsweise eine farbige Version machen. Fujifilm hat für diese Zwecke ein extrem praktisches Tool, was selbst erschreckend vielen Fujifilm JPEG-Fotograf:innen völlig unbekannt ist und von einigen auch hinsichtlich des Sinns und Zwecks verkannt wird: Fujifilm X-RAW Studio. Ich habe zu dem Programm eine kleine Einführung geschrieben und gefilmt. Dazu findest Du auch hier meine JPEG Rezepte.

Lisa-Marie, Eckernförde 2025; RAW-Entwicklung
Inzwischen greife ich allerdings wieder häufiger auf die RAW-Dateien als die JPEG-Bilder zurück. So kurios das klingt, aber auch in dieser Hinsicht macht sich der Klimawandel hier in unseren Breiten bemerkbar. Natürlich kann man JPEG-Bilder auch bewusst ausbrennen oder absaufen lassen und viele RAW-Fotograf:innen tappen gerne in die Falle, sogar zu viel aus einer Datei herauszuholen, nur weil es eben möglich ist. Aber für viele Motive bieten sich doch harmonischere Kontraste ohne ständige Extreme an. Sonne ist für mich immer wieder ein Feind. Wenn das Model dann vielleicht noch helle Haut und dunkle Kleidung hat und/oder in einem Wald oder einem ähnlichen Ort steht, wo teilweise das Sonnenlicht durchkommt und teilweise nicht, dann ist man mit einem JPEG oft schnell am Ende der Fahnenstange angekommen. Früher gab es hier im Norden viele bedeckte, aber gleichzeitig trockene Tage, die ein ideales Licht für die JPEG-Fotografie boten, aber in den letzten ein, zwei Jahren werden diese Tage sehr rar. Meist scheint entweder die Sonne oder es schüttet aus Kübeln. Die perfekte Situation für die RAW-Datei zu glänzen.
Hörtipp
Wenn Du mehr in die JPEG-Fotografie einsteigen willst, dann empfehle ich Dir folgende Folgen von meinem Studio Kreativkommune Fotopodcast:

Dieser Text ist auch in der zweiten Ausgabe meines Zines „Gedanken zur Fotografie“ erschienen. Du kannst Dir das Zine hier entweder kostenfrei als PDF herunterladen oder es Dir für günstige 4.90 € als gedruckte Version bestellen.
Hinterlasse einen Kommentar
An der Diskussion beteiligen?Hinterlasse uns deinen Kommentar!